Mittwoch 04.09.2019 - 5. Tag

Bericht Langstrecke

Altenburschla - Agentenschleuse - Mainzer-Köpfe – Kalkhof – Wanfried

(12,5 km / 4:30 Std. / HM ca. 430 auf und ab )

 

Um 09:20 Uhr fahren wir mit dem Bus Nr. 140 in Richtung Altenburschla, wo wir gegen 09:50 Uhr in dem Dorf aus „Grün und Blumen“ ankommen. Dieser Beiname ist wahrhaft nicht übertrieben, denn viele Häuser und Gärten zeigen reichen Blumenschmuck. Gut erhaltene historische Fachwerkhäuser umgeben den Ortskern. Und so zieht es die meisten von uns vor dem Abmarsch erst einmal zum Haus des Ortsvorstehers, nicht nur wegen der vielen Schwalben, sondern auch wegen des reichen Blumenschmucks, darunter sehr große, ca. 4m hohe Sonnenblumen. Schnell entwickelt sich ein Gespräch mit dem Hausherrn.

Nun aber mahnt Rüdiger zum Aufbruch und so ziehen wir aus dem Ort hinaus und auf dem Weg P12 bergwärts. Dort erwartet uns gleich mal ein Steilaufstieg über schöne Wiesen (darunter ein Feld voller Karden) zur Waldgrenze. Kurz vor 11:00 trennen wir uns von der Kurzwandergruppe und verfolgen den P12 weiter in Richtung „Grünes Band; d.h. zur ehemaligen innerdeutschen Grenze.

Nach ¼ Std. stehen wir dann an der Agentenschleuse Wendehausen. Auf dem breiten, baumlosen Grenzstreifen findet sich nicht nur ein Relikt des mehr als mannshohen Sperrzaunes, sondern auch eine darunter hindurchführende Betonröhre, die so groß dimensioniert ist, dass ein Mensch durchkriechen konnte. Über diesen sog. „Stasi-Tunnel" informiert eine Tafel: „Diese Agentenschleuse wurde Anfang der 1980er Jahre gebaut, offiziell als Wasserdurchlass, der hier aber absolut sinnlos war. Solche Schleusen dienten vielmehr dazu einen Grenzübertritt für Personen oder das Durchschleusen von Material zu ermöglichen, wenn dies über eine offizielle Grenzübergangsstelle nicht möglich war. Für den BGS bzw. Zoll waren solche Stellen nicht einsehbar.“

 

Wieder einmal wird deutlich welcher „Irrsinn" diese deutsche Teilung war, aber auch wie weit wir im Westen von der Realität an der Grenze entfernt waren.

Die Zeit reicht leider nicht, um die Fülle von Informationen (auch über Grenzzwischenfälle) gründlich zu studieren, die hier und auch entlang des Weiterwegs angeboten werden.

 

Unser Wanderfreund Günther W. empfiehlt uns das Buch von Paul Küch:

"Ich hatte einen Schießbefehl. Gezählte Tage im Eichsfeld"

ISBN 9783899603927 Umfang 416 Seiten

Am 03.10.2017 kam in der ARD die Sendung Zonenrandgebiet-Schicksale an der Grenze zwischen Hessen und Thüringen. In dem Film wurden viele Orte und Gegenden gezeigt, die wir erwanderten und von Schicksalen die uns tief betroffen machten.

Diese Sendung ist nur eine gewisse Zeit verfügbar!

                                 Der Text der Gedenktafel befindet sich unten.
Der Text der Gedenktafel befindet sich unten.

Erinnerung an den Zwischenfall bei Grenzstein Nr. 51

Die Pressestelle des Ministeriums für Nationale Verteidigung teilt mit:

Am 27. August kehrten die Angehörigen der Grenztruppen der DDR, Gefreiter Merten und Soldat Pfeifer, die nach einem bedauerlichen Unglücksfall durch besondere Umstände in ein Krankenhaus in Eschwege eingeliefert wurden, in die DDR zurück.

Nur eine kurze Mitteilung darf der Erfurter Zeitung Ende August 1963 ein Vorgang wert sein, der zwei Jahre nach dem Mauerbau die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit fand.

Am 17. August 1963 wurden an der Zonengrenze bei Altenburschla zwei Soldaten der ostdeutschen Zonengrenzpolizei durch explodierende, von eigenen Kameraden verlegte Tretminen schwer verletzt. Zei Westdeutsche und ein Brite, die sich in der Nähe des Unglücksortes aufhielten, zogen die Soldaten unte Einsatz ihrs Lebens auf Bundesgebiet. Von dort aus wurden die beiden Grenzer in das Kreiskrankenhaus Eschwege gebracht.

 

An jenem Sonnabend hatten sich die beiden Gefreiten Siegfried Merten (27) und Franz Pfeifer (22) kurz vor dem Unfall an der Demarkatsionslinie an Grenzstein Nr. 51 mit einer internationalen Jugendgruppe unterhalten. Die Gruppe besichtigte in Begleitung von Karl Montag, damals Bürgermeister von Altenburschla, auf den Mainzer Köpfen die Zonengrenze. Die halbstündige Unterhaltung verlief freundschaftlich, Zigaretten wurden ausgetauscht. Die Greunzsoldaten waren auf sowjetzonalem und die Mitglieder der Jugendgruppe auf westdeutschem Gebiet  geblieben, diesseits und jenseits von Grenzstein Nr. 51. Nach der Verabschiedung krochen die Soldaten durch die Stachdraht sperre zurück. Die Jugendgruppe war schon

weitergeggangen,

als sie die Explosion einer Mine hörte. Einem der Grenzsoldaten war ein Fuß abgerissen worden. Als der zweite seinem schwerverletzten Kameraden zu Hilfe eilen wollte, geriet er ebenfalls auf eine der dort sehr eng verlegten Minen. Die Jugendgruppe rief um Hilfe, wurde aber aber auf ostdeutscher Seite offenbar nicht gehört. Kurzentschlossen robbte der Brite Philip Dyer (27) sowie die beiden Moerser Werner Röhrich (34) und Horst Prawlowski (34) auf die Verletzten zu, die ihnen - soweit möglich - entgegenkamen und zogen sie unter großer Kraftanstrengung auf westdeutschen Boden. Dort wurde sofort Erste Hilfe geleistet. Einige Jugendliche hatten aus der Leiter eines Hochsitzes bereits provisorische Tragbahren gebaut. Karl Montag war inzwischen nach Altenburschla gelaufen und hatte Dorfbewohner alarmiert, die in Privatwagen Richtung Unglückstelle fuhren. Noch bevor der Krankenwagen eintraf, waren die Verletzten auf dem Weg ins Eschweger Krankenhaus. Beiden mußte ein Unterschenkel amputiert werden.

 

Während die Landjugend in den nächsten Tagen Geld sammelte und Einheimische Geschenke ins Krankenhaus brachten, fielen in Altenburschla Reporter aus der gesamten Bundesrepublick und aus dem Ausland ein, um über den Vorfall zu berichten. Auf den mainzer Köpfengab es derweil Geheimverhandlungen zwischen ost- und westdeutschen Verantwortlichen über das weitere Schicksal von Siegfried Merten und Franz Pfeifer. Wiederum am Grenzstein Nr. 51 übergaben Offiziere der Zonengrenzpolizei eine schriftliche Erklärung an Kommisar Pötter vom Zollgrenzkommisariat Wanfried. Darin wurde den Grenzsoldaten bei der Rückkehr in die DDR Straffreiheit zugesichert.


Heimat- und Verkehrsverein Altenburschla

Wir erreichen nach Durchquerung eines Waldstücks wieder das Grüne Band und gehen ein Stück auf dem befestigten sog. Kolonnenweg (dieser war für die Fahrzeuge der Grenzsoldaten bestimmt) und queren dann zurück in den Wald, umrunden die Mainzer Köpfe (Zeugen des früheren Einflussbereiches des Erzbistums Mainz.) Eine Reihe von Steinen mit dem eingemeißelten "Mainzer Rad" markiert den Grenzverlauf des Kurfürstentums Mainz, dem dieses Gebiet bis 1803 unterstellt war. Somit wurde es später zu einer hessischen Enklave, umgeben von DDR-Gebiet.

Um 12:30 erreichen wir Kimm’s Ruh, mit einem grandiosen Ausblick auf Altenburschla. Von hier oben kann man auch deutlich den Verlauf des Grenzstreifens erkennen. Wir haben heute prächtiges Wanderwetter und kommen zügig vorwärts. Trotzdem steht jetzt auf Höhe des Leisterberg-Hauses eine Änderung der Wanderroute an. Wir werden nicht mehr auf dem P5 zur Plesse hinaufgehen, sondern direkt zum Rastplatz am Fuße des Berges. Dazu geht es erst hinab zur B249 (13:20) und dann wird das Gut Kalkhof durchquert. Auch dies ist ein geschichtsträchtiger Ort. Über 40 Jahre war hinter dem Rittergut das Ende der Bundesrepublik Deutschland. Hier wurde 1945 das Wanfrieder Abkommen unterzeichnet, der einzige anerkannte Vertrag, der die im Potsdamer Abkommen festgelegten Besatzungszonen änderte, nämlich einen Gebietstausch zwischen der US-amerikanischen und sowjetischen Besatzungszone entlang der sogenannten „Whisky-Wodka-Linie“.

                      Der Text der Infotafel befindet sich unterhalb des Bildes
Der Text der Infotafel befindet sich unterhalb des Bildes

Gut Kalkhof

 

 

Neben der B249 am östllchen Ausgang erhebt sich das Gut Kalkhof, im Stil des Historismus erbaut um 1880, als die Familie von Scharfenberg in Wanfried siedelte. Das Herrenhaus liegt in einem englischen Park mit Teich und Pavillon. Die Wirtschaftsgebäude stammen weltgehend aus dem Beginn des 19.Jahrhunderts.

 

Heute wird hier Schafzucht betrieben. Eine Reithalle und Stallungen für Pferde, in welchen auch fremde Pferde untergestellt werden können, gehören zur Gebäudegruppe dazu.

Oberhalb der Parkanlage liegt der Reitplatz, auf welchem regelmäßig Turniere ausgetragen werden. Ein Teil der nicht mehr bewohnten Gebäude sind zu Ferienenwohnungen umgebaut worden. Hier können Farnilien mit ihren Pferden zu Reiterferien kommen, man kann aber auch Pferde leihen.

 

Oberhalb des Gutes Kalkhof zwischen Plesse und Konstein befindet sich das Erbbegräbnis der Familie, im Volksmund "KONSUL Grab" genannt. Das Gelände ist an der Vorderseite mit einem schmiedeeisernen Zaun eingefriedet.

Das Tor wird von zwei sehr aufwändig im neogotischen Stil bearbeiteten Torpfosten gehalten.

 

Als im Herbst September 1945 die Stadt Wanfried von den  Russen besetzt wurde, bat der Bürgermeister der Stadt Wanfried Herrn von Scharfenberg um Mithilfe bei den Verhandlungen zwischen den Amerikanern, den Sowjets  und der Stadt Wanfried. Die Sowjets wollten die Werra als Grenzfluß und damit Wanfied einnehmen, die Familie von Scharfenberg musste im Osten sehr viel Land aufgeben, sie wollte ihren Besitz in Wanfrıed nicht auch noch verlieren, außerdem wollten die Wanfrieder keinesfalls der sowjetischen Zone zugeordnet werden. Es kam im Herrenhaus des Gutes Kalkhof zu Verhandlungen, in deren Verlauf Wanfried in der amerikanısch besetzten Zone blieb. Diese Verhandlungen gingen im sogenannten „Wanfrieder Vertrag“ vom 17. September 1945 in die Annalen der Geschichte ein.

Mehr als 2 km liegen noch vor den müden und hungrigen Wanderern, beginnend mit einem ansteigenden Wegstück, bevor wir den Wanderparkplatz erreichen. Den Hunger besänftigen wir mit den Früchten der zahlreichen Zwetschgenbäume am Wegrand und zur Kühlung der müden Füße dient dann die Kneippanlage am Rastplatz. Wir erlauben uns also eine verdiente Pause an diesem schönen Platz unterhalb von Plessefelsen und Aussichtsturm im gleichnamigen Naturschutzgebiet.

Anschließend geht es geradewegs bergab und durch das Städtchen Wanfried zum historischen Hafen am Ufer der Werra, wo wir um 14:45 ankommen. Jetzt haben wir 1 Std. Zeit um uns im Biergarten des Traditionsgasthauses „Zur Schlagd" mit Speis und Trank zu stärken, wobei alle bestrebt sind einen Platz unter einem Sonnenschirm zu finden.

Um 15:50 Uhr erscheint die historisch gewandete Stadtführerin, um uns zuerst über den ehemaligen Werra-Hafen an dieser Stelle zu informieren und uns anschließend auf einem Rundgang durch das Fachwerk-Städtchen zu begleiten.

Wanfried ist die östlichste Stadt Hessens und eine uralte Siedlung. Als der hl. Bonifatius in diese Gegend kam, bestand sie schon. Vom Hülfensberg blickend soll er einer Legende nach gesagt haben: „Wann wird endlich Frieden schweben über dieser schönen Aue“.

Im Jahr 1616 wird die Stadt Wanfried im „Verzeichnis der fürnembsten Städte Europas“ als bedeutender Handelsplatz genannt. Sie war Ausgangs- bzw. Endpunkt der Werraschifffahrt und erwuchs so zu einem Handelszentrum, in dem Waren aller Art umgeschlagen wurden. Nachdem die gelöschten Güter das Zollamt „Auf der Schlagd“ passiert hatten, wurden sie in die Lagerhäuser der Stadt verfrachtet und später auf dem Landweg weitertransportiert. Die Fuhrleute brachten die zumeist aus den Küstenstädten kommende Ware vor allem nach Thüringen und Bayern.

Die ehemalige Bedeutung Wanfrieds als Umschlagplatz belegt eine Handelsbilanz von der Wende vom 17. ins 18. Jahrhundert. Zu dieser Zeit betrug die Schiffsausfuhr ca. 80.000 Zentner, die Abfuhr bemaß sich auf 132.000 Zentner im Jahr. In dieser Zeit entstanden die prächtigen Handelshäuser an der Marktstraße, stattliche Bürger- und Wirtshäuser, Herbergen, eine Börse und ein Brauhaus. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Bedeutung der Werraschifffahrt mehr und mehr zurück, da sich der Gütertransport auf die Schiene verlagerte.

 

Im 19. Jahrhundert verblühte der Reichtum der Handelsstadt Wanfried. Die Wälle und Türme wurden geschleift, das alte Rathaus abgerissen. Den ehemaligen Glanz der Stadt haben die prächtigen Fachwerkhäuser im Stadtkern überdauert, die wir beim Stadtrundgang, vorbei an Kirche und Stadtschloss sehen, bevor uns der Bus zurück nach Eschwege bringt.

 

Rosa Maria und Günther W.

 

PS.: Die Frage, ob der Komponist Richard Wagner seine Villa nach der Stadt Wanfried benannte konnte die Führerin nicht beantworten, aber in Wikipedia fand sich die Antwort:

 

Aus einem Tagebucheintrag von Cosima Wagner vom 4. Mai 1874. geht deutlich hervor, dass die Benennung des neuen Wohnhauses der Familie Wagner in Bayreuth, genannt Haus Wahnfried, auf den Ort Wanfried zurückgeht.

 

„Hier wo mein Wähnen Frieden fand – Wahnfried – sei dieses Haus von mir benannt.“

 

Richard Wagner

 

Günther W.

Am 03. Oktober 2019 kam im HR Fernsehen eine Sendung "So geht heimat" (3). Es ging um die Region an der ehemaligen deutsch deutschen Grenze. Unter anderum auch um die Orte Alten- und Großburschla, die wir auf unserer Jahreswanderung besuchten. Dieser Beitrag ergänzt  unsere Eindrücke von dieser sehr schönen Gegend und zeigt persönliche Schicksale.

 

Walter B.

 

04.09. 2019 Mittwoch 5. Tag

Bericht der Kurzwanderer

Morgens fuhren wir alle mit dem Bus nach Altenburschla. Wir erkundeten den schönen kleinen Ort mit Fachwerkhäusern und tollem Blumenschmuk. Nach einem steilen Aufstieg zur Waldgrenze ging es dann weiter über das „grüne Band“ zur Agentenschleuse Wendehausen. Eine kleine Gruppe wanderte von hier aus die vorgeschlagene kürzere Strecke nach Wanfried. Bis zum Leistenberghaus hatten wir denselben Weg wie die Starkwanderer, umrundeten die Mainzer Köpfe und kamen auch an den Aussichtspunkt „Kimm`s Ruh“. Hier hatte man eine tolle Sicht in`s Werratal. Auch entdeckte Ute im Gipfelbuch den Eintrag der Starkwanderer, die schon vor uns an diesem Aussichtspunkt waren. Ute ließ es sich nicht nehmen, auch im Namen der Kurzwanderer einige nette Worte in`s Buch zu schreiben. Beim Leistenberghaus führte uns dann ein Weg entlang an Feldern, gesäumt mit unzähligen Zwetschgenbäumen, in den Ort Wanfried. Treffpunkt war das Lokal „Zur Schlagd“ an der Werra, wo wir auf die Starkwanderer warteten. Zusammen stärkten wir uns und anschließend fand ein geführter Stadtrundgang durch Wanfried statt. Mit dem Bus ging es dann zurück nach Eschwege.

 

 

 

Brunhilde W.